»Es war nicht schwer, das Verfahren so zu ändern, dass nun alle Journalisten über den Prozess gleichberechtigt berichten können«, teilte die Pressestelle des Münchner Gerichtes mit.
Alles Gesagte im Prozess werde Wort für Wort in Steintafeln gemeistert, sagte eine Pressesprecherin des OLG. Das dauere zwar, aber dafür könnten sich Interessierte auch noch in 2000 Jahren über den Prozess informieren.
Voraussetzung ist allerdings, die Lagerstätte der Steintafeln wird dann noch gefunden und der Finder hat einen Geigerzähler dabei: Nach dem Prozess werden die Tafeln wasserdicht verpackt und in der Schachtanlage Asse II versenkt.
Für genügend Kopien sorge die bayerische Steinmetz-Innung. »Die ›Übertragung‹ aus dem Gericht in den Steinbruch erfolgt via Briefpost«, so die Pressesprecherin weiter. Ein Verstoß gegen Paragraph 169 des Gerichtsverfahrensgesetzes, der Ton- und Bildübertragungen aus einem Gerichtssaal untersagt, sei damit nicht gegeben.
Der Sinn des Verfahrens sei, die geforderte Gleichbehandlung aller Journalisten vor Ort »in wirklich jedem Detail« zu garantieren. So dulde das Gericht nicht, dass Pressevertreter großer Redaktionen mit teuren und leistungsfähigen Notebooks anrücken, während Vertreter kleinerer Medien mit »Block und Kugelschreiber« auskommen müssten. Eigene Notizen müssen Journalisten ebenfalls bei den Steinmetzen vor Ort in Auftrag geben. Wem das zulange dauere, könne auch bei einem Team von Keilschrift-Experten »in Ton fertigen lassen«. Allerdings sei dieses Expertenteam leider sehr klein und erhebliche Wartezeiten damit unumgänglich. Eingangskontrollen an den Zugängen des Steinbruchs sollen sicherstellen, dass alle »modernen Kommunikationsmittel« - dazu zählt das Gericht auch Zettel und Stifte - vor dem Betreten abgegeben werden.
Das OLG zeigte sich erleichtert: »Wir haben einen geeigneten Steinbruch in der Nähe der Landeshauptstadt gefunden, an dem ohne Ausnahme alle Journalisten untergebracht werden. Eine Akkreditierung ist nicht mehr nötig, da das Gelände groß genug ist.«
Auch Befürchtungen vor Anschlägen, die bei der Auswahl der »Räumlichkeiten« berücksichtigt werden mussten, seien für diesen Ort nun gegenstandslos. »Die machen im Steinbruch auch gar keinen Sinn. Denn es wird dort eh jeden Tag gesprengt«, ließ das OLG verlauten.
Für Splitterschutzwesten müssen die Medien allerdings selbst sorgen. Auch für den Abtransport der Steintafeln, so dieser für die journalistische Tätigkeit unumgänglich ist. Eine Finanzierung durch die öffentliche Hand sei leider unmöglich, bedauert das Gericht: »Der Großteil der Steuergelder wird noch für die Rettung der Banken benötigt.«
Die Deutsche Bahn AG hat allerdings großzügige Hilfe bei der Verschickung der schweren Schriftstücke angekündigt. Derzeit in Inspektion befindliche Wagen der maroden Berliner S-Bahn »stellt die Bahn der Presse gerne zur Verfügung«, sagte ein Unternehmenssprecher: »Wir garantieren allerdings generell nicht, dass unsere Züge ihr Ziel erreichen.«
Kritik aus der Internetgemeinde, dass man den Prozess auch twittern oder bloggen könne, statt auf das »veraltete Medium« Steintafeln zu setzen, wies das OLG lapidar von sich: »Wir sehen keinen Grund, dem Zeitgeist nachzugeben. Steintafeln haben sich seit Moses bewährt.«
Die im Gerichtssaal durch das geänderte Verfahren frei werdenden 50 Plätze, die ursprünglich für die Medien vorgesehen waren, erhalten Vertreter des Verfassungsschutzes. »Schließlich hat der Verfassungsschutz ein besonderes Interesse an diesem Fall«, begründete das Gericht diese Entscheidung. So werde es dem Nachrichtendienst nun möglich, dem oft geäußerten Vorwurf der Inaktivität in Sachen NSU entgegenzutreten. Durch unqualifizierte Zwischenrufe oder lautes Schnarchen könne der Verfassungsschutz den Prozess »aktiv mitgestalten«.
Das OLG hofft, mit der neuen Lösung alle Kritiker des ursprünglichen Akkreditierungsverfahrens zufriedenzustellen. Das Gericht sei durchaus flexibel, betonte die Pressestelle: »Schließlich ist das Akkreditierungsverfahren nicht in Stein gemeißelt - hihi, kleiner Scherz.«
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