Betankt die Maschinen


Bendito Machine Teil 4: Fuel the Machines

In der digitalen Animationsfilmreihe »Bendito Machine« erzählt der spanische Künstler Jossie Malis eindringliche Geschichten über Macht, Geld, Krieg und die fast religiöse Verehrung der Technik. Im aktuellen, vierten Teil der Serie nimmt Malis das auf Öl basierende Transportsystem und seine ökologischen Folgen unter die Lupe.

Unschuldig wirken sie und tolpatschig in ihrem Bestreben, sich das Leben einfacher zu machen. Die Figuren in der Bitfilmreihe »Bendito Machine« können nicht ohne ihre Maschinen leben, verehren sie wie Götter und bauen immer kompliziertere. Organisiert wird der Technikboom von einer kleinen Minderheit geldgieriger, brutaler und ziemlich hirnlos wirkender Anführer. Deren einziges Bestreben scheint es zu sein, die Welt in eine Riesenmaschine zu verwandeln und daraus möglichst viel Profit zu schlagen.

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Technik außer Kontrolle 

Dass dabei Menschen sprichwörtlich unter die Räder kommen, bekümmert sie wenig. »Entspannt euch. Alles unter Kontrolle« könnte das Motto dieser Technokratenelite lauten. Doch tatsächlich läuft alles aus dem Ruder und die ganze schöne Maschinerie verwandelt sich in einen Schrotthaufen – wobei die Gesellschaft untergeht.

Der aus Peru stammende und derzeit in Spanien lebende Illustrator und Animationskünstler Jossie Malis hat mit der Animationsfilmreihe »Bendito Machine« (»Heilige Maschine«) eine kurzweilige Gesellschaftskritik geschaffen. Mit digitaler Technik und einer an das alte asiatische Schattentheater angelehnten Ästhetik beschreibt jeder der Kurzfilme einen anderen Aspekt des Kapitalismus.

Obwohl keiner der bisher vier erschienenen Teile länger als zehn Minuten dauert, kommt Malis jedes Mal auf den (wunden) Punkt – dank der ausgeklügelten Storylines. Damit hebt sich »Bendito Machine« positiv von vielen anderen im Internet publizierten Bitfilmen (computeranimierte Kurzfilme) ab, deren Macher zwar auf perfekte Texturen und andere technische Details achten, aber langweilen, weil sie die Handlung vernachlässigen.

Geier kreisen über den Trümmern der Zivilisation

Im ersten Teil »Everything You Need« (»Alles, was du brauchst«) führt eine Gemeinde Krieg gegen die andere um den günstigsten Produktionsstandort für die eigene »heilige Maschine«. Deren Produkte verwandelt die herrschende Klasse in bare Münze und schwelgt im Luxus. Doch das geht nicht lange gut. Am Ende wird die ganze Zivilisation durch gewalttätige Konkurrenz zerstört und Geier machen sich über deren Reste her.

Gegen Geschäftemacherei richtet sich auch der zweite Kurzfilm »Is The Spark of Life« (»Funke des Lebens«). Hier geht es um einen skrupellosen Fabrikanten, der mit seiner Produktionsmaschine die Bewohner eines Dorfes zu Alkoholikern macht.

»Obey His Commands« (»Gehorche seinen Befehlen«), der dritte Teil, kritisiert die Mediengesellschaft: Gott hat die Gestalt eines Kommunikations-Satelliten und thront in einer dunklen Wolke über einem hohen Berg. Er schenkt einem Pilger etwas Unterhaltsameres als Gesetzestafeln. Die hübsche, bunt blinkende Gabe des Himmelsherrschers entpuppt sich als Fernseher, der die Gemeinschaft der Gläubigen entzückt. Sie heben den Apparat auf einen Sockel und verehren ihn mit religiöser Inbrunst.

Doch nach und nach mutiert die lustige Glotze zum teuflischen Gerät: Über den Bildschirm flimmern Bilder von Gewalt und Krieg, die Schrecken verbreiten. Von da an beten die verängstigten Programmgläubigen zu ihrem Fernseh-Götzen nur noch mit Gasmasken.

Die Umwelt kommt unter die Räder

In »Fuel the Machines«, dem in diesem Sommer erschienenen neuesten Werk, nimmt Jossie Malis die Transporttechnologie und ihre ökologischen Folgen unter die Lupe. Wie in den anderen Teilen beginnt »Fuel the Machines« in einer idyllischen Landschaft fernab der Metropolen. Grillen zirpen, eine Sternschnuppe zieht über den Himmel und der (Anti-)Held des Films wohnt dort in einer Hütte und ist mit dem Fahrrad unterwegs. Doch ein Ölkanister auf der Veranda und eine abstruse, an einen Ölbohrturm erinnernde Fackel auf dem Dach der Behausung erinnern uns daran, dass fossile Technologie bis in den letzten Winkel der Erde vorgedrungen ist.

Ein Anruf treibt die Hauptfigur der Geschichte aus der vermeintlichen Abgeschiedenheit ins nächste Dorf. Von dort geht es mit dem Auto weiter über eine Fernstraße – herrlich schräg dargestellt als Achterbahn – in eine Hafenstadt. Spätestens hier erhalten wir den ersten Hinweis, wer das fossile Transportsystem kontrolliert – in Gestalt einer Zapfsäule, die ein bekanntes Firmenlogo schmückt.

Abhängigkeit vom Öl

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Die Welt als Riesenmaschine: Ölkonzerne beuten die Ressourcen aus und kümmern sich nicht um die verheerenden Folgen (Foto: www.benditomachine.com)
Die nächste Etappe der Reise erfolgt per Schiff, auf einem mit Wohlstandsmüll verschmutzten Gewässer. Eine riesige Ölplattform in Form einer Spritze – wir erkennen das Firmenlogo wieder – zieht den begehrten Rohstoff aus dem Meeresboden und hinterlässt dabei eine gigantische Öllache. Pate gestanden für diese Szene hat offenbar der Untergang der Bohrplattform Deepwater Horizon im April 2010 und die dadurch verursachte Ölpest im Golf von Mexiko.

Den Flughafen, in dessen Nähe das Schiff anlegt, hat Malis als skurril-komplexe Maschinerie entworfen, bewacht von bewaffnetem Personal. Beruhigend auf die Passagiere soll eine banal-eingängige Melodie wirken, die eintönig aus den Flughafenlautsprechern in die Ohren der Reisenden tropft.

Die vorletzte Etappe des Transports ist ein Flug über industrielle Landschaften und Ölfelder, der das ganze Ausmaß des Eingriffes in die Natur sichtbar macht. Das globale Transportsystem hat das Antlitz der Erde grundlegend verändert.

Zerstörte Landschaften

Doch Malis ist noch nicht am Ende. Der Technikfetischismus der Herrschenden macht auch vor dem Weltall nicht Halt. Der Reisende, dem wir gefolgt sind durch zerstörte Landschaften, entpuppt sich als Astronaut, der den von »heiligen Maschinen« benötigten Treibstoff auf anderen Planeten entdecken soll. Dass auf der Rakete, mit der die letzte Etappe angetreten wird, erneut das bekannte Firmenlogo prangt, ist nun schon kein netter Gag mehr, sondern tiefschwarzer Humor.

So viel soll noch verraten werden: Die Geschichte nimmt kein gutes Ende und der Astronaut muss feststellen, dass ihm zum Schluss alle Technik nicht helfen kann.

Die reduzierte Ästhetik, mit der Jossie Malis arbeitet, unterstreicht Handlung wie Botschaft der Kurzfilmreihe. Figuren für den Film zu entwerfen, die an jene des Schattentheaters erinnern, ist zwar keine neue Idee. Bekannt geworden damit ist in den 1920er Jahren die Berliner Animationsfilmerin Lotte Reininger. Doch Malis Schattenwelt vor koloriertem Hintergrund hat ihren eigenen, ziemlich schrägen, Reiz. Mit Sxip Shirey hat Malis zudem einen Komponisten gefunden, der »Bendito Machine« eine genial-bizarre Soundkulisse verpasst hat. Mittlerweile gibt es eine weltweite Fangemeinde, die gespannt darauf wartet, dass die nächste »heilige Maschine« betankt wird.
  • Den Artikel hat Pickelhering für das Magazin marx21 (Heft 27, Okt./Nov. 2012) verfasst.
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