Die Grünen wollen einen Kapitalismus, der ökonomisch effizient und umweltverträglich zugleich ist. Doch das ist ein Widerspruch in sich. Von Pickelhering
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Es scheint alles beim Alten zu bleiben: An den Finanzmärkten ist nach dem vermeintlichen Ende der Krise längst die nächste Runde des Spekulationskasinos eingeläutet worden und jene Mechanismen, die zum letzten Zusammenbruch geführt haben, sind von den Regierungen nicht angetastet worden. Unverändert geht auch die Schere zwischen Arm und Reich auseinander. Eine Lösung der Umweltkrise ist ebenfalls nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die momentane wirtschaftliche Erholung wird zu einem erneuten Anstieg des Treibhausgas-Ausstoßes führen. Zunehmendes Artensterben und die Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln machen mittlerweile wieder Schlagzeilen.
Die Idee
Als Konzept der Bewältigung kapitalistischer Krisen hat der »Green New Deal« deswegen an Attraktivität gewonnen – ein Konzept, das hierzulande von den Grünen vertreten wird. Die Idee: Durch einen ökologischen Umbau der gesamten Industrie und den Umstieg auf erneuerbare Energien sollen das Klima gerettet, neue Arbeitsplätze geschaffen und Wirtschaftskrisen gemildert bzw. weitgehend verhindert werden. Der globalen Armut will man so ebenfalls beikommen. Angeschoben werden soll der sozial-ökologische Umbau durch staatliche Investitionen in erneuerbare Energien, die Förderung »grüner« Märkte und schärfere Regeln für das Finanzkapital und umweltschädliche Unternehmen.
Die ersten Wortmeldungen führender Grüner zum »Green New Deal« konzentrierten sich auf eine angenommene innovative Rolle der Märkte, die im Zentrum eines ökologischen Umbaus stehen sollten. Mittlerweile wird auch die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit betont.
Dass die Bekämpfung von Wirtschaftskrise, Umweltverschmutzung und die Beseitigung von Armut zusammen angegangen werden sollen, ist die Stärke des Konzepts. Doch über eine Bündelung von Maßnahmen, die Unternehmen und Märkte ökologischer und sozialer machen sollen, geht der »Green New Deal« nicht hinaus. So sehr auch der Kampf für viele der vorgeschlagenen Verbesserungen nötig ist und ja auch bereits geführt wird, bleibt das Konzept insgesamt schwammig, weil zentrale Widersprüche kapitalistischer Gesellschaften nicht im Mittelpunkt der Suche nach Lösungen stehen.
Widersprüche
Auf drei dieser Widersprüche lohnt ein näherer Blick. Erstens: Wie soll ein sozial-ökologischer Umbau gegen die Macht fossil-atomarer Konzerne und der Finanzmärkte durchgesetzt werden? Zweitens: Das Streben nach Profit steht (internationaler) sozialer Gerechtigkeit und dem Umweltschutz entgegen. Drittens: Unternehmen stehen im Konkurrenzkampf und sind auf Wachstum angewiesen, um bestehen zu können. Das führt zum Raubbau an der Natur. Ein grüner New Deal soll diese Widersprüche auflösen und unterschiedliche Interessen, zum Beispiel zwischen Unternehmern und Beschäftigten, vereinigen. Ist das möglich?
Ob eine ökologische Wende gelingt, hängt davon ab, welcher Weg eingeschlagen wird und wer die Akteure sind. In allen Varianten eines »Green New Deal« wer- den die Karten in den oberen Etagen der Gesellschaft neu gemischt, zwischen Bossen und Politikern und zwischen unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen. Der Masse der Bevölkerung fällt dabei vornehmlich die Rolle zu, an Wahltagen das Kreuz an der »richtigen« Stelle zu machen und den Akteuren in Politik und Wirtschaft zu vertrauen. Das wird schief gehen. Denn der erhebliche Widerstand der Energiekonzerne und der Ölindustrie kann so nicht gebrochen werden. Dazu sind sie zu mächtig und haben zu viel Einfluss in der Politik.
Sozial-ökologische Wende? Fehlanzeige
In Deutschland haben die Wähler bereits diese Erfahrung gemacht: Im Jahr 1998 trat die rot-grüne Regierung mit dem Versprechen einer sozial-ökologischen Wende an. 2004, ein Jahr vor dem Scheitern von Rot-Grün zogen die Umweltverbände in einer gemeinsamen Erklärung Bilanz: »Trotz einiger guter Ansätze bei der Förderung erneuerbarer Energien und in der Agrarwende ist es der Bundesregierung nicht gelungen, den Gedanken der Nachhaltigkeit als Querschnittsthema in alle Politikbereiche zu integrieren. Der ›rote Faden der Nachhaltigkeit‹, von dem der Bundeskanzler gern spricht, wird überhaupt nicht erkennbar.« Von ökologischer Verkehrspolitik sei nichts zu spüren gewesen: »Völlige Fehlanzeige«, so das Urteil der Umweltverbände. Und bei den Ausgestaltungsregeln für den Emissionshandel habe Rot-Grün die großen Verschmutzer ungeschoren davonkommen lassen, während »den kleinen Leuten beim Klimaschutz die Zeche aufgebrummt« wurde. Wie es um die »soziale Wende« unter Rot-Grün bestellt war, davon können nicht nur Hartz-IV-Opfer ein Lied singen.
Vertrauen in Wahlen und Wirtschaft ist angesichts dieser Bilanz nicht angesagt. Solange das Eigentum der »fossilen« Konzerne nicht angetastet wird, werden diese ihre Macht einsetzen, um ein ökologisches Umsteuern zu blockieren. Eine Verstaatlichung oder Vergesellschaftung der Öl- und Energiekonzerne ist im »Green New Deal« allerdings nicht vorgesehen.
Ohne massenhaften Widerstand gegen alle Versuche der Herrschenden, die Mehrheit der Menschen für Umwelt- und Wirtschaftskrisen zahlen zu lassen, wird es keinen »Green New Deal« geben, der diesen Namen auch verdient.
Es kann keinen Öko-Kapitalismus geben
Den Kern des »Green New Deal« bildet die Vorstellung von einem »grünen Kapitalismus«, in dem die »ökologischen Potenziale« des Markts freigesetzt werden sollen. Zutreffend beschreibt der Politikwissenschaftler Elmar Altvater, was das bedeutet: »Auch Green Investment muss freilich lohnend, sprich profitabel für Anleger gemacht werden. Daher muss ein Überschuss produziert werden, aus dem die Renditen des Green Investments abgezweigt werden können. Ohne Wachstum ist dies ausgeschlossen, und daher bleibt der grüne Kapitalismus, wie der schwarze fossile Kapitalismus auch, auf Wachstum angewiesen.« Natur wird damit zur Ware.
Auch für »grüne« Unternehmer gilt: Getrieben durch die Konkurrenz müssen sie Geld in die Produktion investieren, um durch den Verkauf von Waren mehr Geld als vorher zu erhalten. Dieses muss wiederum investiert werden, um erneut für den Verkauf zu produzieren. Es werden Werte geschaffen, um mehr Werte zu schaffen, um noch mehr Werte zu schaffen. Ein Unternehmen, dass im Konkurrenzkampf nicht mithalten kann, geht unter. Ein solches Wirtschaftssystem ist in jeder Form krisenanfällig. Wachstum hat auch eine ökologisch relevante »stoffliche« Seite. Es kann nur aufrechterhalten werden, indem ununterbrochen mehr Material (Roh- und Hilfsstoffe, Maschinen, Werkzeuge und andere Arbeitsmittel) und Energie der Produktion zugeführt werden. Auch wenn jedes Unternehmen dieser Welt mit den Ressourcen sorgfältiger umgehen würde, fräße das Wachstum den Effizienzgewinn auf.
Denn die Natur kann nicht in dem Tempo Ressourcen nachliefern, wie sie unter Marktbedingungen verbraucht werden. Nur eine Wirtschaftsweise, die Charakter und Tempo ökologischer Kreisläufe berücksichtigt und diesen Rahmen nicht verlässt, ist nachhaltig. Doch das widerspricht dem Wachstumszwang.
Der Kapitalismus hat sich uneinheitlich und ungleichzeitig entwickelt.
Armen Ländern stehen reiche gegenüber. Laut Welthandelsbericht
konzentrieren sich vier Fünftel der globalen Produktion und zwei Drittel
der globalen Agrarwirtschaft auf lediglich 15 Länder. Diese
Uneinheitlichkeit ist Folge der Tatsache, dass die Produktionsmittel
privat kontrolliert werden und der Realisierung von Gewinnen dienen.
Dort wo ein Staat Produktionsmittel besitzt, führt internationale
Konkurrenz zu demselben Effekt. Eine »Begrünung« des Kapitalismus wird
daran nichts ändern, weil sich soziale Ungerechtigkeit aus dieser
Wirtschaftsweise selbst ergibt.
Auch in den entwickelten
Industrieländern geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter
auseinander. Löhne sind auch für ökologisch orientierte Unternehmer ein
Kostenfaktor: Wie hoch diese sind, ob und wie viel Mitbestimmung der
Belegschaft es gibt und ob ein »grünes« Unternehmen Arbeitsplätze
abbaut, wenn die Rendite zu niedrig ist, hängt von der
gewerkschaftlichen Organisierung und der Durchsetzungsfähigkeit der
Belegschaft ab. Die Annahme, dass ein Solarunternehmer per se zu
»seinen« Arbeitern netter ist als ein Kohleunternehmer, ist naiv. In der
Juniausgabe von Schraegstrich, der Mitgliederzeitschrift der Grünen,
schreibt Isabelle Arend über Arbeitsbedingungen in »grünen« Unternehmen:
»Branchenbeobachterinnen und -beobachter weisen auch hier auf
verbesserungswürdige Arbeitsbedingungen vor allem in der
Eneuerbare-Energien-Branche hin, denn Niedriglöhne und mangelnde
Mitbestimmung prägen vielfach den Arbeitsalltag: ›Ökologisch hui, aber
sozial pfui. Das passt nicht zusammen!‹, so Wolfgang Rhode von der IG
Metall. Aus Sicht der Gewerkschaft kann die ökologische Wende nur
gelingen, wenn die Beschäftigten in der Öko-Branche anständig behandelt
werden.«
Wie die Produktion hat der Kapitalismus auch die
Naturzerstörung globalisiert. Die Folgen machen vor keiner Grenze halt.
Deswegen ist ein weltweit geplantes Handeln nötig. Doch das
Gegeneinander von miteinander konkurrierenden Unternehmen und Staaten
steht dem im Weg. Konkurrenzkampf und Markt sind mit einer ökologisch
und sozial nachhaltigen Gesellschaft nicht vereinbar. Letztlich führt
kein Weg daran vorbei, die Marktwirtschaft zu beseitigen und durch eine
Gesellschaft zu ersetzen, in der Produktion und Verbrauch durch
Beschäftigte und Verbraucher demokratisch geplant und bestimmt werden.
Das ist die Voraussetzung dafür, das Funktionieren natürlicher
Kreisläufe konsequent berücksichtigen zu können.
Der Aufbau
gesellschaftlicher Gegenmacht von unten und das Infragestellen
kapitalistischer Eigentumsverhältnisse muss deshalb im Zentrum von
Konzepten stehen, die eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige
Gesellschaft zum Ziel haben.
Beim »Green New Deal« ist das leider nicht der Fall. Sozialisten sollten sich dennoch in die Debatten einmischen und Aktionen mittragen. Sie können dabei helfen, eine Massenbewegung aufzubauen, die den Kampf um jeden Arbeitsplatz mit dem der Forderung nach Umstieg auf erneuerbare Energien verbindet. Und sie können ihre ganze Kraft dafür einsetzen, dass eine solche Bewegung nicht bei Reformen stehen bleibt, sondern sich die Entmachtung des Kapitals zum Ziel setzt.
Zum Text:
Diesen Artikel habe ich für das
Magazin marx21, Heft 18 (Winter 2010) verfasst. Zum Ausdrucken könnt ihr die
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